Liebe
Heimatfreunde,
von Geburt her bin ich nur ein "halber
Schlesier". Mein Vater ist ein echter Schlesier aus Strehlen (12 Häuser)
und meine Mutter eine echte Sauerländerin. Ich gehöre
zu der Generation, die nichts von der Flucht und von der Vertreibung
mitbekommen hat. Generell ist es für unsere Generation nur schwer vorstellbar,
wenn es überhaupt vorstellbar ist, was Ihr damals mitgemacht habt. Da ich
selbst eine sehr heimatbezogene Person bin, kann ich mir nur ansatzweise
vorstellen, wie schlimm es sein würde, aus meiner jetzigen Heimat vertrieben zu
werden und diese Jahrzehnte nicht mehr sehen zu können.
Schon als kleiner Junge habe ich geglaubt, daß es etwas besonderes ist,
Schlesier zu sein. Denn immer wieder, wenn mein Vater bei fremden Leuten seine altvertraute schlesische Mundart wiedererkannt
hatte und diese auf ihre Herkunft ansprach, kam stets große Freude auf - sowohl
bei meinem Vater als auch bei den fremden Leuten. Selbst ein Beamter, der bekanntlicher Weise die Arbeit meidet, kann recht fleißig
werden, wenn er schlesischer Herkunft ist und einen schlesischen Fürbitter vor
sich hat. So geschehen, als mein Vater eine Baugenehmigung benötigte und im Amt
einen schlesischen Beamten antraf. Dieser unterstützte meinen Vater bei jeder
Station. So konnte die Baugenehmigung in Rekordzeit erteilt werden.
Ich denke, daß eine solche
Verbundenheit, wie es Schlesier untereinander demonstrieren, heutzutage kaum
noch zu finden ist. Eine solche Verbundenheit ist jedoch nicht
selbstverständlich. Sie muß intensiv gepflegt werden.
Doch nun wächst eine Generation heran, die das alte Schlesien nur von den
Erzählungen ihrer Eltern kennt und nicht die gleiche Liebe für die alte Heimat
ihrer Eltern zeigt. Das liegt natürlich daran, daß
diese Generation in ihrer Heimat aufgewachsen ist und diese als ihre
eigentliche Heimat ansehen. Aber sollte man das, für das die Eltern gelebt
haben, abweisen und in Vergessenheit geraten lassen? Sicherlich nicht. Ich
appelliere an die Eltern der nachrückenden Generation: Erzählt Euren Kindern
immer wieder von Eurer schlesischen Heimat. Ladet sie zu Euren Treffen und
Veranstaltungen ein und demonstriert weiterhin diesen Zusammenhalt. An die neue
Generation wende ich mich: Pflegt weiterhin die Gebräuche, die Eure Eltern Euch
vermittelt haben. Haltet das Andenken Eurer Eltern in Ehren. Denn sonst besteht
die Gefahr, daß die alte schlesische Heimat in
Vergessenheit gerät. Ich greife hier ein passendes Wort aus dieser Festschrift
auf:
"Wenn die Heimat
lebt, wird auch unser Volk leben"
Man kann dieses Wort erweitern durch:
"Wenn Ihr an die Heimat denkt,
dann lebt die Heimat"
Also: Wenn die alte Heimat in Vergessenheit
gerät, dann existiert auch kein schlesisches Volk mehr. Diese Aussichten dürfen
wir nicht zulassen. Deswegen unterstützt die Bundesheimatgruppe, die sich zum
Ziel gesetzt hat, die Tradition zu pflegen. Unterstützt sie nicht nur durch
Worte sondern vielmehr durch Taten. Übertragt nicht anderen die Verantwortung.
Jeder ist für die Fortsetzung der Tradition und damit für das Überleben des
schlesischen Volkes verantwortlich.
Dr. H.-W. Fleger