Reiterstandbild "Der Bogenschütze" eingweiht!

 

Aufnahmen des Bogenschützen nach dem 24.09.2000

 

Am 24. September 2000 wurde der Bogenschütze oder auch "das Reiterlein" zum Michaelisfest eingeweiht. Drei Vertreter der Heimatgruppe, Herr George von Gellhorn, Herr Klaus Preußer und Herr Dr. H.-W. Fleger, folgten der freundlichen Einladung der Stadt Strehlen und waren Zeuge eines einmaligen Erlebnisses.

Die Vorgeschichte: Durch die Bemühungen der Bundesheimatgruppe konnte im letzten Jahr ein intensiverer Kontakt mit Vertretern der heutigen Stadt Strehlen aufgebaut werden. Das erlaubten die politischen Veränderungen in Polen, die Politiker mit weltoffeneren Einstellungen hervorbrachten. So wurde in Strehlen Herr Horzaniecki als Bürgermeister gewählt, der sehr an seiner Heimatstadt hängt und sich deshalb für die Geschichte dieser Stadt interessiert.

So kam es am 28. August 1999 in Herne zu einem Treffen mit ihm, seinem Stellvertreter Herr Bambas, seiner Dolmetscherin Irena Woznicka und mit Vertretern der Stadt Herne und der Bundesheimatgruppe Stadt und Kreis Strehlen. Schon hier zeichnete sich eine gemeinsame freundschaftliche Zukunft ab. Nur kurze Zeit nach diesem Treffen schenkte die Stadt Strehlen als Zeichen der Freundschaft und Verbundenheit den hiesigen schlesischen Heimatvereinen einen 2 m hohen und etwa 5 t schweren Granitstein und übernahm zusätzlich die Transportkosten. Wieviel Jahre bemühte sich die Bundesheimatgruppe schon um die Beschaffung eines solchen Gedenksteines, der aus originalem Strehlener Granit sein sollte? Am 7. April 2000 wurde dieser Stein festlich eingeweiht. Als Ehrengäste waren Herr Horzaniecki und der stellvertretende Landrat anwesend.

Am 27. Mai 2000 besuchte Herr Musiatowski, ein selbständiger Bauunternehmer aus Strehlen, die Heimatstube in Herne und stellte seine Gesellschaft ("Gesellschaft für Strehlener Bergeverein") vor. Es handelt sich hier um einen Förderverein, der sich den Wiederaufbau Strehlens nach historischem Vorbild als Ziel gesetzt hat. Er war an alten Bildern interessiert, die als Vorlage für originale Nachbildungen dienen können. Die Mitglieder dieses Fördervereins sind führende, einflußreiche Personen der Stadt Strehlen, zu denen sich neben Herrn Musiatowski u.a. auch der Bürgermeister Horzaniecki, der Landrat und Herr Kazimierowicz (Chef des Granitsteinbruchs und Ratsmitglied) zählen. So berichtete Herr Musiatowski, daß einige Plätze und Straßen schon mit Granitstein gepflastert worden sind und daß als nächstes Projekt die St. Gotthard Kirche ihre ursprüngliche Mauer wiedererhalten soll. Da aus den vorhandenen Fotos nicht genau erkennbar ist, wie diese Mauer genau aussah, erhoffte sich Herr Musiatowski Hilfe durch die Bundesheimatgruppe. Begeisterung rief er bei den Vertretern der Bundesheimatgruppe hervor, als er sie darüber informierte, daß der Bogenschütze aus Bronze in Auftrag gegeben wurde und voraussichtlich zum Fest des Erzengels Michael am 24. September 2000 eingeweiht werden sollte. Wir von der Bundesheimatgruppe sollten dafür eine offizielle Einladung durch den Bürgermeister Horzaniecki erhalten.

Diese Einladung kam auch. So traten wir am 21.09.2000, es war ein Donnerstag, die Reise nach Strehlen an. Dort empfing uns Frau Irena Woznicka und begrüßte uns herzlichst im Namen des Bürgermeisters. Es erwartete uns ein äußerst interessantes Programm. Am Freitag empfing uns Herr Horzaniecki und der Landrat im Rathaus, das den ehemaligen Einheimischen als ehemaliges Landratsamt bekannt sein dürfte. Nach der offiziellen Begrüßung überreichte er uns Geschenke, darunter ein Buch über Strehlen, das die Gesellschaft für Strehlener Bergeverein anfertigen ließ. Es ist in polnisch, englisch und deutsch geschrieben und enthält neben geschichtlichen Informationen zahlreiche alte Fotos von Strehlen in hervorragender Qualität (!). Für die Martin-Opitz Bibliothek gab es gleich mehrere Exemplare. Wir überreichten ein Gemälde, das den Bogenschützen auf dem Strehlener Ring darstellt und ein Album, das die Geschichte der Gedenksteineinweihung in Form von Fotos und Zeitungsausschnitten erzählt.

 Der Bürgermeister und der Landrat unterstrichen erneut ihr Vorhaben, der Stadt Strehlen ihre ursprüngliche Pracht wiederzugeben. Herr Horzaniecki bedauerte jedoch, daß es leider auch Gegner in seiner Stadt gibt, die dieses Projekt ablehnen. So erklärte er, daß die polnischen Bürger vom früheren System gewohnt seien, vom Staat "bedient" zu werden. Nun müssen sie lernen, eigene Verantwortung zu übernehmen, womit viele noch Probleme haben. Da die Gesellschaft aus relativ wenigen Mitgliedern besteht, erhofft sich Herr Horzaniecki durch die Veröffentlichung der alten Fotos, daß die jetzigen Bewohner Strehlens die ehemalige Schönheit ihrer Stadt erkennen und Eigeninitiative zur Verschönerung zeigen. Erste Erfolge machen deutlich, daß dieses Konzept immer mehr Anhänger findet.

Am Nachmittag wurde uns die Kläranlage und das Wasserwerk gezeigt. Der Chef der Werke führte uns und erklärte freundlich die Details. So zeigte er uns das benachbarte alte Wasserwerk, das z.Z. in der Renovierung steht. Er erklärte, daß man hier Büroräume und einen Konferenzsaal einrichten möchte. Das alte Wasserwerk sei ein Beispiel dafür, daß man am Wiederaufbau der ursprünglichen Bauwerke interessiert ist. So würde es sicherlich billiger kommen, wenn man es abreißen und neu bauen würde. Vom alten Wasserwerk aus konnte man wenige 100 m entfernt das alte Pumpwerk und auf der Anhöhe den Wasserturm erkennen.

Nach der Besichtigung der Wasserwerke fuhren wir in das Industriegebiet. Auf der rechten Seite waren die riesigen Getreidesilos zu erkennen. Ebenso konnte man weiter weg die riesigen Kräne des Granitsteinbruches sehen. Wir besuchten gleich zwei Firmen. TCI ist eine deutsch-polnische Firma, die vormontierte Rohre für Heizungs- und Sanitäranlagen anfertigt, die nachher in Baukastenform schnell und leicht installiert werden können. Mit diesen Systemen ist es möglich, ein komplettes Haus innerhalb von einem Tag mit den Rohrsystemen auszustatten. Die zweite Firma produzierte Polyethylenrohre. Bei allen Firmen konnten wir feststellen, daß diese sehr auf die Einhaltung bzw. auf die Annäherung der Europanormen Wert legten, damit Polen in die EU aufgenommen werden kann.

Auf dem Rückweg fuhren wir über die Münsterberger Straße zum Ring. Trotz vorgerückter Zeit waren die Arbeiten für die Fertigstellung des Reiterdenkmals voll im Gange. Man stellte gerade die Laternen auf, die nach alten Fotovorlagen nachgebildet worden waren. Ebenso brachten Arbeiter elektrische Leitungen für die Brunnenbeleuchtung an.

Am nächsten Tag, also Samstag, gegen Mittagszeit waren wir am Fortschritt dieser Arbeiten interessiert. Die Arbeiter pflasterten gerade den Platz um den Brunnen. Dort trafen wir den Bauleiter, Herr Musiatowski, der sich sichtbar freute, uns zu sehen. Er hoffte, daß bis 18 Uhr die Arbeiten abgeschlossen seien. So machten wir einen kleinen Rundgang. Die Geschäftsinhaber der Ringgeschäfte putzten fleißig die Schaufenster. Die Parkanlagen waren ordentlich hergerichtet, zahlreiche Laternen nach altem Stil sollten in der Dunkelheit für eine prachtvolle Beleuchtung sorgen. Der Weg führte uns zur St. Gotthardkirche. Ein gelbes Schild kündigte an, daß diese restauriert werden soll, was uns Herr Musiatowski schon bei seinem damaligen Besuch in Herne berichtet hatte. Der Weg zurück führte über die Poststraße, an der Post, dem Gefängnis und dem Kino vorbei zur Münsterberger Straße. Dort hängte ein Bauarbeiter auf einer Baggerschaufel stehend Fahnen auf. Jede Laterne der Straße war mit mehreren bunten Fahnen geschmückt, die das Wappen der Stadt Strehlen enthielten. Der Ring war mittlerweile für den Verkehr gesperrt worden. Unser Weg führte uns am Gericht und an der Klosterkirche vorbei zur ehemaligen Stadtmühle und schließlich zurück zum Brunnen.

Wir entschlossen uns, über die Altstadtstraße in Richtung Eichwald, dann zur Ziegenbergreihe zu fahren. Auch hier fiel der sichtbare Fortschritt seit dem letzten Jahr auf. So wurde die Straße, die von Strehlen direkt zum Ziegenberg führt, komplett geteert. Noch im letzten Jahr war es kaum möglich, mit dem PKW dort hoch zu fahren. Wir statteten noch einige Besuche bei Bekannten ab, darunter Frau Schwarz, die sich zu unserer erfreulichen Überraschung recht gut von einem Schlaganfall erholt hatte, Frau Zuchal von der Ziegenbergreihe und schließlich Frau Storlaska in der Altstadt, die seit vielen Jahren Ansprechpartnerin der Bundesheimatgruppe ist.

 

Abends gegen 18 Uhr hofften wir, daß der Bogenschütze schon steht. Es war leider noch nicht so weit. Die letzten Feinheiten wurden noch erledigt. Aber es hatten sich schon zahlreiche Menschen, die genauso neugierig waren wie wir, versammelt um die Fertigstellung mitzuerleben. Da es nicht abzusehen war, wie lange es noch dauern würde, warteten wir nicht mehr ab.

Am Sonntag war es endlich so weit. Frau Irena Woznicka holte uns vom Hotel ab, um uns zum Ring zu begleiten. An der ehemaligen Stadtmühle trafen wir uns mit Herrn Kazimierowicz, der, wie oben berichtet, Ratsmitglied und Mitglied der Gesellschaft ist. Er stellte sich zur Verfügung, uns Strehlen zu zeigen und interessante geschichtliche Details zu berichten. Zunächst nahmen wir jedoch an der Feier zum heiligen Michael teil. Mittlerweile war der Ring belebt. Zahlreiche Menschen hatten sich versammelt, Verkaufsstände, Karussells und eine Spielburg für Kinder waren aufgestellt worden. Auf dem Brunnen, vor der Einfahrt zur Münsterberger Straße, stand der Bogenschütze - jedoch unter einem blauen Tuch verhüllt. An dem Tuch hingen gelbe und blaue Luftballons (die Farben der Stadt Strehlen), die trotz strahlendem Sonnenschein vom starken Wind abzureißen drohten. Man konnte die Kontur des Bogenschützen erkennen - so wie man ihn von alten Fotos kannte. Auf der anderen Seite des Ringes (Südostseite) stand eine große überdachte Bühne. Pünktlich um 12 Uhr kamen aus der Klosterkirche zahlreiche Ministranten, mehrere Priester und ein Bischof in Form einer Prozession und schritten, begleitet von einem Musikverein unter der Melodie des Gefangenchores aus "Nabuko", auf die Bühne zu, um das Michaelisfest mit einem Gottesdienst zu eröffnen. Ein Chor sang festliche Lieder, selbst eine Kirchenorgel war im Freien aufgestellt worden. Am Ende des Gottesdienstes begrüßte der Bürgermeister die Gäste, darunter auch die Vertreter unserer Bundesheimatgruppe mit dem ersten Vorsitzenden Herr George von Gellhorn. Danach näherten wir uns dem Höhepunkt. Alle Menschen versammelten sich um den Brunnen, Kinder in Uniform standen Spalier. Die Geistlichen warteten darauf, das Denkmal einzuweihen. Nach kurzen Worten des Vorsitzenden der Gesellschaft für Strehlener Bergeverein war es endlich soweit. Die Befestigungen des blauen Tuches wurden gelöst, aber es gab ein kleines Problem: Das Tuch wollte sich nicht lösen. Der Versuch, den Bogenschützen mit einem Stiel vom Tuch zu befreien, mißlang. Erst nachdem der Vorsitzende auf den Brunnenrand kletterte, konnte das Reiterlein unter großem Beifall enthüllt werden. Die Nachbildung ist eine wirklich gelungene Arbeit und sicherlich kaum vom Original zu unterscheiden. Nach der Einweihung durch den Bischof ging es dann zum Rathaus, wo den Ehrengästen ein reichhaltiges Buffet geboten wurde. Schließlich erfüllt Herr Kazimierowicz sein Versprechen, uns Strehlen zu zeigen. So waren die Stationen: am Gericht vorbei zur Klosterkirche, St. Gotthard Kirche, Mädchenschule, ehemaliger evangelischer Friedhof, den man eingeebnet hat, über die alte Breslauer Straße zum Gymnasium und zur Krankenpflegeschule, über die Poststraße an der Stadtmauer vorbei und schließlich über die Steinstraße am Gaswerk vorbei zum Steinbruch. Hier durften wir den 700 m langen und 110 m tiefen Granitsteinbruch aus nächster Nähe betrachten. Wer wollte, durfte sich einen Granitstein als Andenken mitnehmen. Anschließend verbrachten wir bei herrlichem Wetter einige fröhliche Stunden auf dem Ring. Die unzähligen Menschen auf dem Ring genossen wie wir die schöne Volksfeststimmung, die durch Musikgruppen aufrecht erhalten wurde. Zu jeder Zeit standen viele Kinder und auch Erwachsene um den Brunnen und bestaunten das Reiterlein und den wiederbelebten Brunnen. So wurde es dunkel und man konnte nun auch den beleuchteten Brunnen betrachten. Leider ging dieser Tag viel zu schnell zu Neige.

Noch vor einem Jahr hätte niemand diese Entwicklung für möglich gehalten. Wer aber das Engagement des Bürgermeisters und der anderen Mitglieder dieser Gesellschaft für Strehlener Bergeverein miterlebt hat und wer die ersten sichtbaren Erfolge begutachten konnte, ist nun davon überzeugt, daß nichts unmöglich ist. Selbst der Wiederaufbau des Ringes ist als Fernziel anvisiert. Eine Förderung dieses Projektes ist sicherlich sinnvoll und vor allem notwendig. Mögen sich Sponsoren finden lassen, die die Erfüllung dieses Wunsches ermöglichen. Wir wünschen der Stadt Strehlen weiterhin viel Erfolg und sagen auch auf diesem Weg nochmals vielen Dank für die schönen erlebnisreichen Tage.

Aufnahme am 24.9.2000

Der Brunnen mit Sockel ist in originaler Form erhalten geblieben, das Reiterlein und die Laternen wurden nach alten Fotovorlagen nachgebildet. Die Münsterberger Straße befindet sich auf der linken Seite des Fotos (hier nicht zu erkennen).